Der Vøringsfossen zählt gemessen an seinen Besucherzahlen zu den bekanntesten Wasserfällen Norwegens. Das Wasser fällt beinahe 150 Meter in die Tiefe und kann sowohl von einer Besucherplattform von oben beobachtet werden, als auch von unten. Für letzteres ist es nötig, sich per Wanderung zu nähern. An meinem fünften Tag meiner Norwegenreise bin ich in der Gegend und werde sowohl von dem Geocache, der sich am offiziellen Besucherstandort befindet, als auch im Besonderen von einem hoffentlich beeindruckenden Naturspektakel angezogen.
Des Morgens fahre ich aus Odda los, wo ich gestern noch den Weg zu einem Gletscher gewagt habe. Die Strecke hierher ist kurvenreich und bietet viel für das Auge, die Folge ist, dass ich allerdings erst gegen elf Uhr am offiziellen Parkplatz aufschlage. Norwegen-Reisende machen ständig die Erfahrung: Das ist im Sommer viel zu spät, um ordentliche Ausgangsbedingungen in Form eines halbwegs vernünftigen Parkplatzes zu finden.
Oben am Café ist das jedoch kein Problem. Parkplätze sind genügend vorhanden und ich mache mir zunächst einen Eindruck von der Situation und laufe zu Fuß zu der nahe gelegenen oberen Aussichtsplattform, von der man allerdings nicht viel vom Wasserfall zu sehen bekommt. Einen Geocache kann ich dabei auch einsammeln. Ich lerne anhand der Wegbeschreibungen vor Ort, dass der Weg nach unten von einem Parkplatz in der Nähe möglich ist. Vom Weg zu Fuß zu dem anderen Parkplatz ist abzuraten, weil man dabei zwischendurch einen relativ langen Tunnel ohne Fußweg durchlaufen müsste.
Auf geht es also, die Strecke ist mit Auto sehr schnell überbrückt, aber wie erwartet ist hier beim besten Willen kein Platz, an dem das Auto noch hätte stehen konnen. Die Gäste parken schon jetzt so entlang des Straßenrandes, dass der laufende Verkehr eigentlich schon gefährdet ist. Ein ganzes Stück weiter gen Osten findet sich aber noch ein weiterer Parkplatz, der wahrscheinlich aufgrund der höheren Distanz zum Wasserfall ziemlich leer ist. Das Auto wird hier auf meine Rückkehr warten.
Auf dem Parkplatz lerne ich eine Familie aus Schwerin kennen. Wir tauschen uns ein wenig aus und laufen gemeinsam in Richtung Wasserfall. Der Weg führt zunächst auf einer gesperrten asphaltierten Straße entlang. Nach 200 Metern begegnet uns ein scheinbar ehemaliger Wegweiser, der von der Straße auf einen Wanderpfad zeigt, der sich entlang des tieferliegenden Flusses, dem Bjoreio, schlägelt. Das Schild des Wegweisers ist scheinbar ein Opfer von Lokalvandalismus geworden, es wurde einfach abgebrochen. Für mich sieht der Pfad verlockender als die Straße aus und so trennt sich mein Weg von dem der Mecklenburger Familie.
Ich liebe Abenteuer, also soll ich auch Abenteuer bekommen. Es dauert nicht lange, da ist der Weg verschwunden, und zwar unter handfestem Geröll. Hier hat es vor nicht allzu langer Zeit einen Erdrutsch gegeben, der alles, was halbwegs wanderbar war, unter sich begraben hat. Ich hoffe, dass sich hier niemand aufgehalten hat, als das passiert ist. Mein Weg geht weiter, es fühlt sich aber eher so an, als würde ich auf einer Kaimauer am Meer laufen als an einem Wanderpfades entlang eines Flusses. Ich gewinne immer mehr Gewissheit darüber, dass das Schild zu Beginn des Pfades aus gutem Grund abgebrochen wurde. Ich brauche etwa 45 Minuten, bis ich den Abschnitt erreiche, der vom offiziellen Parkplatz in Richtung Wasserfall führt. Ab da sind immer noch deutliche Spuren des Erdrutsches zu sehen, aber ein gut wanderbarer Pfad liegt nun wieder vor mir. Auch sind wieder die T-Markierungen vorhanden, die habe ich schon fast vermisst.
Der Weg führt sehr zielstrebig in Richtung Wasserfall. Inzwischen hat auch die Besucherdichte wieder zugenommen. Links und rechts des Pfades sind Spuren des Erdrutsches, inklusive ehemaliger Straßenbefestigungen und anderer Geräte zu sehen.
Mein Pfad führt kurz vor dem Ziel über einer Hängebrücke, an der einige Kinder ihre pure Freude haben. Trotzdem komme ich gut darüber, ohne Abzustürzen. Der Wasserfall dröhnt in den Ohren und so langsam wird man permanent angesprüht, das Fotografieren wird hier zur Herausforderung. Da der Fall jetzt sowieso im Schatten liegt, hätte ich wahrscheinlich eher gegen Abend hierher kommen müssen, damit ich halbwegs ordentlich Fotos schießen hätte können. Trotzdem genieße ich die Aussicht. Ich treffe außerdem die Schweriner Familie wieder, die gerade Picknick machen. Sie erzählen mir, dass sie auf dem asphaltierten Weg gut durchgekommen sind. Hier und dort sind ein paar Teile der Straße ausgebrochen worden, aber sie ermöglicht trotzdem gutes Vorankommen. Mit dem Wissen trete ich bald den Rückweg an, dieses Mal ebenso die schnelle Route.